Dienstag, 23. März 2021

Alles auf den Tisch

 Zwei Tage nacheinander räumt Nina ihren PECS Ordner komplett leer. 

Ich habe ein bisschen gerätselt warum sie das plötzlich mit so einer Vehemenz tut. Langeweile? 

Nach dem ersten Mal habe ich beim wieder "Reinkletten"der Karten  gemerkt, dass viele der Karten gar nicht mehr aktuell sind. 

Als es am darauffolgenden Tag passierte, habe ich alle Kärtenchen in eine durchsichtige, verschließbare Hülle gesteckt und über den Ordner gehängt. 

Ich brauchte nicht ihr nicht mal zu erklären, sie zippte den Reißverschluss auf und suchte sich die Karte die sie brauchte heraus. 

Genau zur selben Zeit habe ich mir ein Video von Claudio Castaneda zur UK angesehen, auch als Vorbereitungen auf unserem Termin im SPZ bei der Logopädin für UK. 

Da war sie dann nebenbei, die Erklärung. 

Der PECS Ordner erfüllt für Nina keinen "Mehrwert" mehr. 

Alles was zur Kindergartenzeit noch aktuell war, daraus ist sie im wahrsten Sinne herausgewachsen. Sie ist so selbstständig, dass die meisten dieser Karten keine Funktion mehr für sie haben. 

 Es wird Zeit das wir einen Schritt weiter gehen. 

Es wird Zeit für einen Talker. 

Montag, 22. März 2021

Bunter Reis

 Das leise Rauschen verrät mir schon bevor ich mich umdrehe was Sache ist. 

Dabei fand ich es großartig, dass Ninas Lehrerin sich so viel Mühe gemacht hat und uns zwei Behälter mit gefärbtem Reis brachte, damit wir Spurübungen mit dem Reis machen konnten. So liebevoll: grün, blau, rot und gelb. 

Die Sammlung des bunten Reises  kam in eine Holzkiste und nach der üblichen ersten Ablehnung fand Nina es durchaus toll vor den Übungen zu Buchstaben und Zahlen darin zu "wühlen" . 

Ich war auch der Meinung unsere Sicherung des "Reiskästchens" mit dem guten, stabilen Klebeband wäre ausreichend. 

Aber das Geräusch....ich drehe mich um und sehe wie Nina den Kasten kippt und ein Schauer an bunten Reiskörnern sich durch einen Spalt über den Boden ergießt. 

Mein "Nein" war nicht dazu gedacht das aufzuhalten....ich bin zwar schnell, aber so schnell nun auch nicht, es war eher ein kleiner Schrei der Verzweiflung. 

Jetzt sitze ich am Boden und rede mir ein, auch Aschenputtel musste Getreide lesen....aber die Reiskörner nach Farben zu sortieren wäre des guten dann doch zu viel .

Auch hatte meines Wissen nach Aschnputtel keinen tollen Staubsauger, denn nach einer Weile wird es mir zu bunt und ich sauge den Rest der Körner auf. 

Mal sehen ob ich ähnlich lange noch welche in der Wohnung finde wie im Sommer die Nadeln vom Weihnachtsbaum.  

Heiße Kartoffel?

Es gibt ja diesen Ausspruch, dass jemand fallen gelassen wird wie eine heiße Kartoffel. 

Ich kann mir nicht helfen, aber dieser Vergleich kommt mir in den Kopf.

 Innerhalb weniger Tage kommt in unserer Selbsthilfegruppe das Thema Logopädie bei verschiedenen Familien auf den Tisch. 

Jedes Mal ist es Thema, weil eine neue Logopädie-Praxis gesucht wird. 

Die Weiterarbeit mit dem entsprechendem Kind wird "aufgegeben", weil keine Ergebnisse gesehen werden, die Umstände sich geändert haben, kein Weg gesehen weiter zu arbeiten oder aber Ergotherapie für das bessere Mittel der Wahl gehalten wird. 

Ich weiß gar nicht ob ich vor Wut etwas zerschlagen, weinen oder mich übergeben möchte. 

Mit einem autistischem Kind gibt es kein "fertig sein", da muss das ganze Leben kontinuierlich gearbeitet werden und die Fortschritte sind meist klein, stagnieren von Zeit zu Zeit und es ist ein Prozess der einfach anders abläuft. 

Die Arbeit mit unseren Kindern ist ein völlig anders Feld als bei Kindern die stottern oder einzelne Konsonanten nicht sauber aussprechen können. 

Es gibt keine klare Arbeitslinie wie bei  einem Cochlea-Implantat oder der Arbeit mit Schlaganfall-Patienten. 

Dies freie, auf Kreativität angewiesene und kontinuierlich-anstrengende Arbeit ist fordernd. 

Therpeuten die Erfahrung oder noch besser langjährige Erfahrung mit autistischen Kindern haben, die dann zusätzlich auch noch freie Kapazitäten haben, die kann man mit der Lupe suchen.

(Ähnlich im Grunde wie bei einem Physiotherapeuten der die entsprechende Zusatzausbildung in Atemtherapie für Mukoviszidose Patienten hat. )

Wo aber soll die Erfahrung her kommen, wenn unseren Kindern mit Skepsis begegnet wird und das Zutrauen in die eigene Professionalität sinkt? 

Diese Energie spüren unsere Kinder und ich bin überzeugt davon, dass sie deshalb noch viel weniger zugänglich sind, was im Grunde einen Teufelskreis in Gang setzt. 

Wir sind im Moment gut versorgt. Die Chemie zwischen Ninas Logopädin und ihr stimmt und sie macht gute Fortschritte. 

Aber es gibt noch sehr viel mehr Bedarf. 

Schade das es als zu mühsam angesehen wird. 

Gut, dass es die Gruppe gibt. 


Sonntag, 21. März 2021

Kasse 1

 Wir stehen im Supermarkt an der Kasse und warten aufs bezahlen. 

Ich träume vor mich hin und beobachte die Schlange vor mir.

Dann plötzlich "Hi ho ho" von Nina. 

Ich schaue, sie deutet nach vorne und zeigt mir dann den Daumen. Der steht für die Zahl 1.

Ich blicke mich um - tatsächlich, wir stehen an Kasse 1.

Eine Welle der Freude durchströmt mich expolsionsartig und genau mit der Intensität lobe ich überschwänglich ihre Beobachtung. Wir schauen uns gemeinsam um und finden auch die 2 und die 3. 

Das langweilige Anstehen ist zu einer kleinen Entdeckungsreise geworden. Danke liebe Tochter. 

Was kümmert es mich in diesem Moment, dass die anderen Einkäufer vielleicht denken können "was ist denn mit der los?"

Sollen sie doch. 

In unserer Welt hat Nina gerade die Zahlen vom Lerntisch in der Welt gefunden. 

Das macht uns beide glücklich. 

Mittwoch, 17. März 2021

Erschöpfungspunkt

 Es gibt ihn oft....diesen Punkt an dem ich ausgepowert bin.

Vor ein paar Tage war es mal wieder so weit. Ich hab auf dem Sofa gesessen, in der Hand die grad benutzte Inhalette und in diesem Moment wünschte ich, es gäbe ein Schnips und ich könnte schon im Bett liegen und schlafen.

Genug für heute, denke ich, ich bin seit 5:15 h ununterbrochen gefordert. Denn das war der Zeitpunkt an dem Nina wach wurde. 

 Gedanklich gehe ich Liste der Dinge durch die ich eigentlich noch tun müsste: Vapo machen, Kreon auffüllen, Wäsche zusammen nehmen, diverse Dinge an ihren Platz bringen....das ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen. 

 Ich atme ein und aus und streiche diverse Sachen bzw. verschiebe sie auf morgen, denn da wird alles wieder von vorne losgehen und noch da sein.

Morgen ist auch noch ein Tag.  

Das zu mir selbst sagen zu können, dass kann ich jetzt, früher ging das nicht, da hätte ich an diesem Punkt angefangen zu heulen, weil ich wieder nicht alles geschafft habe, was ich mir vorgenommen habe. 

Ich brauche ein Pause. Zeit für mich. 

Also lege ich die Inhalette einfach erst einmal zur Seite.

Bin egotistisch und mache eine Runde Abendyoga. 


Mittwoch, 10. März 2021

Meinungen die verwirren

 Wenn Freunde, Familie oder Bekannte aus dem Bauch heraus unsere Lebenssituation betrachten und kommentieren, dann fühlt es sich für mich komisch an. Immer noch, muss ich leider sagen. 

Ich weiß natürlich, dass es meist in den Aussagen anderer nur um Ich-Botschaften geht....dennoch kann ein Satz wie: "Das könnte ich ja nicht, jeden Tag dasselbe durchziehen" einen Moment lang echt weh tun. 

Da hilft es auch nichts wenn noch ein "ich bewundere euch dafür, dass ihr das so könnt" hinterher geschoben wird.

Ich weiß es ist Unkenntnis die einem entgegen schlägt. 

Ich weiß, dass das Gegenüber, wäre es in unserer Situation in dieses Leben  hineinwachsen würde und lernen würde sich anzupassen. 

Beziehungsweise einfach immer wiederkehrende Punkte den Tag bestimmen lässt. 

Anders geht es einfach nicht. 

Nina braucht das. 

Nina mag verlässliche Abläufe. 

Ich weiß ich wiederhole mich. 

Aber von außen so betrachtet zu werden, als hätte man eine große Wahl und würde sich nicht hin und wieder sehr gerne sogar, flexible Tagesabläufe wünschen....das trifft mich.

Ok, das hat nun wieder was mit mir und meinen Befindlichkeiten zu tun. 

Es ist auch  immer noch mit einem kleinen Teil Trauer verbunden,  der dann hochkommt und nie wirklich weggehen wird. 

Positiv für mich ist, dass ich gelernt habe meine Nischen zu suchen für mich, um Kraft zu tanken. 

Nicht die Defizite betrachten was wir nicht haben, nicht können ....sondern unsere Pluspunkte aufzulisten. 

Das sind einige. Nicht nur bei uns. 



grüne Eule beim Inhalieren

 Wir haben schon viel ausprobiert um Nina das Inhalieren angenehm zu machen. 

Auf dem Gymnastikball mit ihr gewippt, sehr sehr sehr sehr viel gesungen, jede Menge Musik Intros von Serien mit ihr geguckt, Football angeschaut oder immer wieder dieselben Videos von Simons Cat....vorwiegend die, wo die Waschmaschine schleudert oder Simon unter der Dusche steht. 

Da ist sie wieder...ihre Liebe zum Wasser und dem einen Haushaltsgerät. 

Jetzt aber muss ich Spanisch lernen, während Nina daneben sitzt und mich beim lernen überwacht. 

Obwohl nein, es ist eher, dass sie scharf ist auf den freundlichen Ton der immer dann erklingt, wenn ich korrekt geantwortet habe....und sie liebt die animierten Figuren....insbesondere den Herren der ein Luftküsschen verteilt. 

Scheint sie an die Übungskarte von der Mundmotorik zu erinnern, wo sie auch immer Luftküsschen üben muss. 

 Es ist grad echt charmant, diese Anwandlung. 

Allerdings muss ich aufpassen, dass es mir gerade wirklich in meinen Rahmen passt. 

Inhalieren hin oder her. 

Freitag, 5. März 2021

ein bisschen Wahnsinn?

 Albert Einstein hat gesagt: "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." 

Dieses Zitat schießt mir durch den Kopf, als sie beim Ambulanz-Termin mal wieder mit dem mobilen Pustegerät kommen, die Ninas Lungenfunktion testen soll.

Das Teil ist megaemfpindlich, sprich man muss quasi sofort reagieren.....nicht leicht wenn man Nina heißt und immer erst etwas warm werden muss, mit dem Vorgang, dem Gerät, der Situation und und und. 

Wiederholt bekommen wir die Frage gestellt, ob wir denn schön geübt hätten. Ich seufze. Weiß nicht mehr ob innerlich oder auch laut. 

Klar haben wir geübt. Wir üben immer. Alles mögliche und wirklich regelmäßig.

Aber es ist nun mal so eine Sache ob etwas jeden Tag zu Hause passiert oder eben ab und zu mal in einer, nun ja, doch noch irgendwie in einer fremden Umgebung. 

In diesen Momenten habe ich das Gefühl das meine Erklärungen ins Leere laufen, ich gegen eine Wand rede oder dass das was ich sagen zwar im Moment interessant aber eben doch nicht nachhaltig ist. 

Warum? Keine Ahnung. Da sind viele Gründe denkbar. Aber ich muss mir nicht noch den Kopf anderer Leute machen. 

Das der Test der Lungenfunktion ins Leere laufen wird, sehe ich schon vorher. An Ninas Körpersprache, an dem abwesenden Blick. 

Ein Anfeuern, so nett es auch gemeint ist, hat bei ihr eher den gegenteiligen Effekt. 

Sie dreht der Lungenfunktion eine lange Nase und widmet sich wieder den interessanten Sachen: ihren mitgebrachten Mundmotorik-Karten und der Aussicht auf die bald anstehende Rückfahrt mit der Straßenbahn. 

Das sind die Dinge die funktionieren. 

auf die Stühle, fertig los

Am Sonntag Abend warf ich einen Blick auf meinen Kalender und musste einmal tief durchschnaufen. Das wird wieder so eine Woche. 

Jeden Tag einen Termin.

 Zwei Mal Logopädie, einmal Physiotherapie, einen Besuch beim Zahnarzt und der Quartalsbesuch beim Augenarzt. Puhhhh!!! 

Den Zahnarzt-Übungsbesuch hätte ich beinahe ausfallen lassen und war kurz davor zu verschieben....habe ordentlich mit mir gerungen und mich dann doch dafür entschieden es zu machen. 

Gewonnen hat letztlich eine lange Diskussion mit meinem Mann und mir selbst und die Tatsache,  dass die Wiederholung von bestimmten Szenarien Nina ja unglaublich hilft. 

Unglaublich war aber, dass Nina wieder einmal mich überrascht hat. 

Mit einem Schub in Sachen Selbstständigkeit. 

Sie setzt sich alleine bei der Augenärztin auf den Untersuchungsstuhl und macht mit ihr auf die ihr mögliche Weise einen Sehtest. Da blieb mir der Mund zum ersten Mal offen stehen....ok es hat keiner gesehen, denn natürlich habe ich einen Mundschutz getragen, aber trotzdem. 

Beim Zahnarzt dasselbe. Sie zockelt auf meine Frage "willst du dich alleine setzen?" an mir vorbei und nimmt auf dem Untersuchungsstuhl Platz. Wow. Dann wird gemeinsam mit der ihr bekannten Zahnarzthelferin einmal Zahnpflege betrieben und es werden Grimassen geschnitten und via kleinem und großem Spiegel alle Zähne begutachtet. 

Bald gehen wir wieder hin und dann hoffentlich wieder "auf die Stühle, fertig und los!"