Samstag, 24. Oktober 2020

Seifenblasenleben

 "Eine Seifenblase ist eine durch ein Röhrchen oder durch einen Strohhalm aus Seifenschaum geblasene, rasch zerplatzende Kugel. Sie hat dünne "Wände", ist schillernd und zerplatzt leicht." (vgl.  https://www.dwds.de/wb/Seifenblase )

Im Moment kann man unser Leben sehr gut mit  einer Seifenblase vergleichen. Es ist fragil und leicht kann es zerplatzen. 

Drinnen aber in der kleinen Seifenblase ist es schön, schillernd und leicht.

Dieses Bild versuche ich mir immer dann in Erinnerung zu rufen, wenn mich die Lage in der großen weiten Welt Angst macht. 

Und wenn mir die Welt schon Angst macht - wie muss es da Nina erst gehen?

Vielleicht versucht sie deswegen manchmal so vehement an ihren Ritualen festzuhalten. Das gibt Sicherheit. Und auch mir gibt unsere kleine, runde, bunte Welt grad Sicherheit. Es ist schön. Es ist überschaubar und gemütlich. Wir haben es gut in unserem Seifenblasenleben.

Ab und an kann man auch mal in eine andere Seifenblase abtauchen - z. B. bei einem Spaziergang durch den Wald mit einem gewissen Vierbeiner und seinem netten Zweibeiner als Begleitung. Dann heißt es genießen. Denn auch diese Seifenblase wird wieder platzen, wenn die Zeit rum ist. 

Aber man kann ja auf neue Seifenblasen warten. 


  

 

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Schleim ohne Monster

Wir waren etwas verwöhnt, das gebe ich zu. 

Neun Monate ohne größeren Infekt und der letzte Schnupfen blieb ein Schnupfen und ging wieder weg ohne zusätzliche Maßnahmen.

Jetzt aber haben wir ihn wieder. Den Husten. Der wie bei Mukoviszidose üblich sehr schleimig werden kann. 

Natürlich  war nur eine Frage der Zeit und zack da hat Ninas Magen das Sekret in der Menge nicht mehr vertragen und sie - allerdings sehr kunstvoll - einen Schwall Schleim von sich gegeben.

Kunstvoll, weil nur das Stuhlkissen was abbekommen hat, sie selbst aber nichts - auch mal eine Premiere. 

Es soll ja Leute geben die sich Schleim zum spielen selbst herstellen und ich kann mich erinnern mein Bruder hat früher auch so etwas. In Grün. Auf der Packung war glaube ich ein grünes "Schleimmonster" zu sehen.

Mein Bedarf ist aber gedeckt und ich brauche so etwas nicht extra kaufen oder herstellen. 

Denn spätestens Ninas nächster Infekt bringt genug Schleim mit sich und anders als der grüne in der Packung ist dieser nicht witzig - aber gut wenn er rauskommt, denn danach geht es ihr besser. 

 


Mittwoch, 14. Oktober 2020

das fehlende Wort

Ich kann mich glücklich schätzen, dass wir gut ausgestattet sind. 

Technisch mit Laptop, Druck/Kopierer, diversen Programmen und gespeicherten Dateien.

Ausstattung auch was den Vorrat an Material angeht: Klebepunkte, Papier, Folie, Schneidelienal, Eckenknipser, Magnete, doppelseitiges Klebeband....

 Dieser tollen Ausstattung ist es zu verdanken, dass es letztens nicht in einer Katastrophe geendet ist, als morgens ein Wort / eine bestimmt Karte fehlte. 

Klar hat Nina während der ganzen Zeit gejammert und ist unruhig neben mir her gelaufen - aber ich war schnell und gut und rucki-zucki hatten wir eine Ersatzkarte und alles war schick - der Tag konnte weiterlaufen.

Warum diese Mühe?

Warum nicht einfach das Wort der Karte benennen? 

Hab ich gemacht. Hat nicht gereicht. 

Betrachte ich das Ganze von der anderen Warte aus, so wird klar:

eine Bildkarte, eine Sprachkarte hat mehr als einen Zweck. 

Einerseits ist es klar um uns "Sprachlern" zu zeigen was sie wollen. 

Aber es ist AUCH ein Wort von ihr.

 Ist dieses Wort weg stelle ich mir das so vor, als würde uns das Wort nicht einfallen oder wir könnten es aus irgendeinem Grund nicht sagen, nicht aussprechen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es deswegen immer so schlimm ist, wenn Lina im wahrsten Sinne des Wortes die Worte fehlen. 

Und ich bin froh das fehlende Wort ersetzen zu können. 

FKK Alarm

Viele Kinder mit frühkindlichem Autismus haben eine taktile Empfindlichkeit / Überempfindlichkeit, die je nach Kind unterschiedlich ausgeprägt und angelegt sein kann. 

Bei Nina sind es sicher auch einige verschiedene Punkte, die sie stören.

Der Bereich der im Moment aber deutlich sichtbar ist, ist der wenn sie Flüssigkeiten: Wasser, Nutrini, Soße oder was auch immer auf ihre Kleidung bekommt. 

Das kann sie ganz schwer aushalten und dann muss sofort das betreffende Kleidungsstück getauscht werden. 

Das berichten uns auch ihrer Lehrerinnen und ich bin froh das wir dort noch Kleidung vorrätig haben, so wie es auch schon im Kindergarten war.
 
Wenn wir zu Hause einen Unfall dieser Art nicht mitbekommen, kann es schon mal sein, dass plötzlich ein halbnacktes Kind durch die Wohnung läuft, wobei uns in letzer Zeit aufgefallen ist, dass sie versucht das Kleidungsstück zu ersetzen - wenn auch nicht immer so erfolgreich und dann mitunter ein Kleiderschrank komplett ausgeräumt ist.
Oder sie in unseren Sachen in der Hand durch die Gegend rennt.

Letzte Woche allerdings war ihr zwei Mal so langweilig, das ich sie nackt auf dem Badezimmer-Teppich hockend fand. Dem war kein "Unfall" der taktilen Art vorangegangen. Was da in ihrem Kopf vorging - ich werde es leider nie erfahren.
 
Ich habe nicht gelacht und nur kommentarlos wieder das Anziehen initiiert.
 
Da es nach drei weiteren Korrekturen wieder weg war, wird der "FKK Alarm" kein neuer Tick.
 
Zu Hause ja momentan noch ganz lustig - aber später....nee darüber will ich jetzt gar nicht nachdenken. 

Weiter geht es bei uns. 

Angezogen. 

Montag, 5. Oktober 2020

die Wiederholung macht es

Ich bin froh das ich mittlerweile über eine Erfahrungsschatz verfüge und einfach WEISS - die Wiederholung macht es. 

Frei nach dem Motto "einmal ist keinmal" muss ich an fast alles so heran gehen.

Eigentlich immer ist es nach einigen Wiederholung von "voll blöd" und "will ich nicht" schon fast der "neue Liebling"geworden.

Nichts desto trotz habe ich mir schon sehr sehr oft vor lauter Frust innerlich die Haare gerauft. 

Obwohl ich ihre Abneigung kenne. 

Obwohl ich weiß dass es besser wird. 

Obwohl sich in vielen Bereichen gezeigt hat, dass Nina manchmal einfach in ihr Glück geschubst werden muss.   

Aber es ist einfach eine ganz andere Nummer wenn man weiß man kommt mit neuen tollen Sachen, Aktionen, Gegenständen oder mit was auch immer und egal wie begeistert man selbst ist - dein autistisches Kind möchte nichts neues. 

Lehnt es per se ab. 

Dann: tief durchatmen. Einmal das neue kurz vorstellen. Und dann wieder und wieder und wieder und wieder und wieder...bist der Wiederstand bröckelt. 

 Sich nicht entmutigen lassen. 

Es ist ein Kraftakt. 

Aber meine Muskulatur ist in diesem Bereich schon enorm gewachsen. 


Platzwechsel

Seit viele Monaten gibt es bei uns bei den Mahlzeiten festgelegte Plätze. 

Ursprünglich haben wir das irgendwie mal so gewählt, damit sie uns nicht immer beim Essen aufstand und wir eben von beiden Seiten aus das ganze im Keim ersticken konnten, das sitzen während der Mahlzeiten üben und ja auch wir als Eltern mal in Ruhe essen, ein bisschen miteinander reden und gemeinhin etwas Tischkultur haben konnten. 

Ich will nicht verheimlichen dass das anfangs schwierig war und es auch heute immer wieder Momente gibt an denen Nina meint aufstehen zu müssen. 
Aber meist weil wir uns nicht "verstehen" und sie etwas holen will was sie braucht und wir vergessen haben - einen Strohhalm, ihr "Brotpaket" oder ähnliches. 

Was wir aber nicht mehr ändern durften war unsere Platzbelegung. Ging gar nicht. War doch immer so - musste so bleiben. Damit konnten wir als Eltern umgehen. War zwar etwas steif, tat aber niemandem weh. 

Das änderte sich aber eines Nachmittags, als Nina ihren Snack auf meinem Stammplatz einnehmen wollte  und es für sie völlig in Ordnung war, dass ich dann auf ihrem Platz sass. 

Seitdem können wir die Plätze wechseln und es ist keine "Vollkatastrophe" mehr in dieser Hinsicht mal etwas durchzutauschen.

Woher das kam - wir wissen es nicht.
 
Was wir aber wissen und was uns immer wieder erneut vor Augen geführt wird, ist dass alles seine Zeit hat bei unserem autistischen Kind.
 
Wie das sauber und trocken werden, das alleine in einem anderen Zimmer schlafen können, neulich der Abschied vom gelben Becher.....

Diese plötzlichen Sprünge sollte ich im Gedächtnis behalten, wenn mich wieder mal eine Verhalten total nervt - alles hat eben seine Zeit. 

Haben Sie nicht Anspruch darauf?

Beim Abholen einer Bestellung werde ich von unserem Apotheker gefragt, wo ich denn meine Tochter gelassen hätte. 

Ich deute auf den Fahrradhelm und erzähle, dass ich sie mit dem Tandem zur Schule gefahren habe. 

Trotz Mundschutz kann ich sein verdutztes Gesicht sehen und im nächsten Moment fragt er mich:"Wirklich? Haben sie denn nicht Anspruch auf einen Fahrdienst?"

Selbstverständlich haben wir Anspruch auf einen Fahrdienst, der Nina von zu Hause abholt und sie nach der Schule wieder vor die Haustür bringt. 

Dennoch haben wir und für vor kurzem bewusst dagegen entschieden. 

Es bringt mehrere Vorteile mit sich: 

  • kurze Strecke
  • wir können diese kurze Strecke an einem Fluss entlangfahren
  • Dosis Frischluft
  • Bewegung für beide
  • wir erleben diese Touren gemeinsam
  • sind länger zusammen
  • oft schneller als eine Bustour
  • ich sehe jeden Schultag zwei Mal kurz eine Lehrerin
Dass diese Touren mit dem Tandem auch Nina gut tun, haben uns auch die Lehrer bestätigt. Viel besser als länge Zeit im Bus. Rauf aufs Rad los, Schule und wieder retour. 

Sollten Gewitter, Glatteis oder Schneeverwehungen kommen, das Rad einen Platten haben oder sich einer von uns nicht so gesund fühlen wie im Moment, dann lassen wir das Tandem stehen - aber dann kann man immer noch auf die Straßenbahn oder eben doch mal das Auto ausweichen. 

Aber bis dahin: Hallo Pino!!!!


Freitag, 2. Oktober 2020

Vom Lerntisch in die Realität

Alles was wir am Lerntisch machen machen wir nicht einfach so.

Es dient natürlich einem Zweck. 

Das einüben bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten, das Kennenlernen von Texturen und Materialien, die Reaktion auf bestimmt Schlüsselworte und vieles andere mehr. 

Schön ist es aber nicht nur, wenn die Aufgabe am Tisch verstanden wird und gerne geübt wird, sonder auch wenn es eine Generalisierung gibt oder wenn die Dinge die wir am Lerntisch üben irgendwie in die Welt draußen übertragen werden können. 

Als Tipp aus der Woche Tiergestützte Kurzzeittherapie sollte ich das Thema Hund ein bisschen in die Lernkiste einbringen. Ich hab ein bisschen im Internet recherchiert und gleich eine ganze Reihe an Dingen gefunden. 

Am einfachsten umzusetzen war mithilfe einer leeren Taschentuchbox, ein bisschen Pappe, Kleber und Stiften ein Hundegesicht mit offenem Maul und kleine Hunde-Kekse in Knochenform. So haben wir "dem Hund etwas zu fressen geben" geübt. 

Großartig war dann aber als Peets Herrchen dieses Bild sah und für die nächste Verabredung exakt solche Hunde-Kekse in Knochenform dabei hatte und wir so die Sache rund gemacht haben. 

Nina fütterte Peet mit diesen Keksen und beim ersten Betrachten dieser realen Kekse....da konnte ich die Denkblase sehen - "ach dafür war dass" schien sie zu denken. 
Reibungslos klappt das "dem Hund etwas zu fressen geben" noch nicht, aber es wird. 

Nina wird mutiger - und der Papphund? Na ja der leidet keinen Hunger mehr. ;-)