Samstag, 27. Juni 2020

Einatmen - ausatmen

Ich habe grad Nina mit dem Tandem in die Schule gebracht.

Es ist ein sonniger Morgen. Sommer. Es ist alles einfach mal wunderbar.

Ich rieche die frische Sommerluft ein, ich atme sie ein und ich atme sie aus.

So wie es heute auf meinem T-Shirt steht. Einatmen, Ausatmen.

So wie es beim Yoga ist. Einatmen, Ausatmen. 

So wie es beim Inhalieren ist. Einatmen, Ausatmen. 

So wie es bei der Atemtherapie ist. Einatmen, Ausatmen. 

Einatmen, Ausatmen. 

So wie ich beim Reißen eines Rituales weitermachen sollte. Einatmen, ausatmen. 
Ruhig - ohne kürzer zu atmen. ...

Das aber schaffe ich nicht. Wenn es hektisch wird und ich eine Lösung suche, wird der Atem schneller, kürzer und ich atme nicht mehr in den Bauch sondern schnell und mir wird warm und mein Herzschlag beschleunigt sich und die Ruhe ist dahin. 

Die Ruhe die man einfach nur durch das Einatmen, Ausatmen bekommen kann. 

Das muss ich noch üben. Sehr viel sogar.

Donnerstag, 25. Juni 2020

Vier Outs

Nein, wenn ich von Outs spreche, beziehe ich mich nicht wie beim Poker auf die Anzahl der Karten, die meine Hand verbessern oder beim Baseball eine Spielsituation, die die gegnerische Mannschaft zum Ausscheiden zwingt....vermutlich gibt es auch noch jede Menge anderer Definitionen.

Unsere Outs - das sind die Male bei denen es Nina bei einem Inhalationsdurchgang schafft, durch Verrenkungen oder durch blitzschnelles eigenes Abziehen den Schlauch von der Inhalette zu ziehen. 
*grummel* 

Damit ich nicht durch zu viel Aufmerksamkeit und oder eine zu laute Verbale Begleitung lenke, habe ich mir angewöhnt, dieses Abziehen des Schlauches innerlich mitzuzählen und einfach wieder den Schlauch anzustecken. 

Egal wie sehr sie auch mal wieder kichert.

 Weil ihr langweilig ist. 

Weil sie das Geräusch liebt. 

Weil sie meine Aufmerksamkeit will. 

Letztlich ist es nur nervig. Oder schon ein Ritual? 

Mittwoch, 24. Juni 2020

Selbstständgikeit / Freiheit

Hin und wieder kommen einem die äußeren Umstände zu Hilfe. 

Ich hatte schon länger überlegt, wie ich es hinbekommen könnte, das Nina alleine duschen kann und ich damit auch wieder.

Die Gewöhnungsphase des Duschens war ja ein gemeinsames Duschen und ein hinhocken meinerseits in der Duschwanne, damit ich mit ihr auf Augenhöhe alles besser begleiten konnte. 

Soweit so gut. Aber mittlerweile ist sie ein ordentliches Stück gewachsen und "beansprucht" doch mehr Platz. 

Wie also da wieder rauskommen aus der Routine?

Aber einfach so etwas ändern ging nicht. Da war große Oper angesagt, als ich das zum ersten Mal versucht habe.

Dann aber kamen günstige äußere Umstände zusammen:

1) ein Ortswechsel für zwei Nächte

2) eine außen sichtbare Veränderung an mir (ein großes Pflaster für mehrer Tage)

3) ein Papa der bei der ersten Änderungsversuch direkt im Auge des Sturms war!!!


Der Protest war vergleichsweise gering und heute nach einigen Tage, ist der Ablauf geändert. 

Mit zwei neuen, und wie ich finde, tollen Effekten.

Nina duscht alleine und ich begleite von außen das Haare waschen und die Dosierung des Duschgels / Duschschaums UND ich kann im Anschluss auch wieder alleine die Dusche aufsuchen. 

Ohne in der Hocke vor meiner Tochter zu sitzen. Für viele eine Selbstverständlichkeit, für mich seit kurzem ein herrliches Stück Freiheit. 

Freitag, 19. Juni 2020

99

Nach 99 Tagen ist Nina gestern zum ersten Mal wieder in die Schule gegangen. 

Mit dem Schulbesuch vor Corona hatte dieser erste Besuch nicht viel zu tun. 

Wir hatten viele Tage das für und wieder abgewogen. 

Auch im Vorfeld hatten wir viele Gespräche mit den zuständigen Lehrkräften, der Schulleitung, untereinander und wir Eltern natürlich miteinander.
 
Die Gespräche mit der Schule glichen an einem Punkt irgendwie dem Konzept "Stille Post" - über drei Ecken und angefüllt mir einer ganzen Reihe an Missverständnissen, Unsicherheiten und Detailfragen.  

Jetzt ist alles geklärt und wir haben die Möglichkeit, über knapp vier Wochen, einer 1:1 Betreuung in Anspruch genommen. 

Es fehlt natürlich das vertraute Konzept und es ist ein Kompromiss. Aber Kompromisse gehen wir tagtäglich ein. 

Wenn aber Nina bereits an Tag zwei unfassbare Freude zeigt - wenn es losgeht und auch bei der Abholung wieder Freude zeigt, wenn sie nach kurzer Zeit nach Hause darf, dann weiß man, man hat die richtige Entscheidung getroffen.

Für Sie, für mich und auch für uns als Familie. 

Es lebe der Kompromiss. 




Dienstag, 16. Juni 2020

Ein Stuhl, Mascara und Nagellack

Es ist Abend und wir Eltern sitzen etwas platt auf dem Sofa. 

Nina ist aber noch voller Tatendrang. Sie schaut sich in der Wohnküche um und zockelt plötzlich mit einem Stuhl ab in den Flur.

"Gehst du mal hinterher?" frage ich meinen Mann. "Mache ich gleich" sagt er und ist wirklich kaum eine Minute später auf der Suche nach unserem Kind. 

"Du musst mal kommen"ruft er innerhalb von Sekunden.

Ich finde beide im Badezimmer und muss mich zusammenreißen um nicht zu sehr zu lachen und den "Streich" zu verstärken. 

Aber witzig sieht es schon aus.
 
Nina hat meinen Mascara und den roten Nagellack gefunden und im Gesicht und auf den Händen verteilt - dabei wollte sie eigentlich an meine grüne Gesichtscreme, aber die stand dann trotz des Stuhles zu weit oben, nämlich auf dem Spiegelschrank und so hat sie genommen was sie oben greifen konnte. 

Drauf gepfiffen das es eben Nagellack und Mascara waren. Aus ihrer Sicht wenigstens. 

Sonntag, 14. Juni 2020

Ebbe und Flut

Wer kennt das nicht? Der permanente Kampf gegen die Unordnung, wenn Kinder Unordnung verbreiten. 

Ich finde den Vergleich zu Ebbe und Flut ganz passend. 

Bin mir aber grad unsicher, welchen Teil der Gezeiten ich repräsentiere. 

Bin ich die Ebbe? Die die alles offenlegt und sichtbar macht? Schlick, Muscheln und Bewohner sortiert? 
Oder bin ich die Flut die die Unordnung zudeckt und alles ist ordentlich?

Im Prinzip auch völlig egal, denn Nina ist exakt immer, als der Unordnung produzierende Teil unterwegs, egal ob grad sichtbar im selben Raum oder eben nebenan wo ich eigentlich grad fertig war....

Ich weiß das es nahezu allen so geht. Daheim und jetzt wo wir alle viel zu Hause waren und oder sind. 

Aber ab einem gewissen Grad an Chaos kann ich nicht mehr klar denken und werde doch immer wieder versuchen dem andern Teil der Gezeiten "Herr" zu werden.

Zumindest bis zum nächsten Gezeitenwechsel. 
Und der kommt....völlig wurscht ob bei Monden- oder Sonnenschein. 

Donnerstag, 11. Juni 2020

Durch die Maschen gerutscht

Irgendwie haben wir es ja kommen sehen und schon im April gedacht - na ja bei der unsicheren Entwicklung in der Pandemie wird es bestimmt dauern bis Nina wieder in die Schule kann. 
Wir haben auf das beste gehofft und haben uns auf das schlimmste vorbereitet. 
Dachten wir jedenfalls. 

Nach einem nichtssagenden Brief der Schulleitung - wohlgemerkt nach der Schulschließung im März  und dem Nachfragen von Ninas Papa bei der Schulleitung, kamen zwei von Ninas Lehrerinnen gestern mit zwei "Alternativen".

Diese "Alternativen" sind  bei Licht betrachtet keine wirklichen Alternativen.
Diese vermeintlichen gut-gemeinten, schnell gestrickten Angebote würden Nina entweder in einen fremden Raum, mit fremden Kinder und fremden Lehrkräften stecken oder sie komplett isolieren - ohne andere Kinder. 
Darüber hinaus würde es für beide Fälle heißen z. B. nicht selbstständig auf die Toilette gehen zu können - alleine bei diesem Punkt habe ich schlucken müssen und mein Bauchgefühl war gleich: "nein das will ich für mein Kind so nicht"!!!!

Vom Kopf her weiß ich, das Angebot ist nicht gegen mich gerichtet und die Lehrer müssen sich an die Vorgaben halten und können eben auch aufgrund der Räumlichkeiten nichts anderes anbieten.
Die Pille bleibt doch bitter. 

Denn mein Problem ist ein anders.
 
Es fühlt sich anders an.
 Es fühlt sich an als wäre man mal wieder, durch die Maschen gerutscht.
 Man gehört nie dazu.
Nirgends.

Passt man einigermaßen in einem Bereich dazu, geht das meistens nur bis zu einem gewissen Grad, denn dann grätscht einem die andere Diagnosen wieder dazwischen. Und umgekehrt. 
Wir bleiben mit dieser Kombination einfach ein Sonderfall.
 
Man kämpft permanent um Gesundheit, um einen geregelten Alltag, gegen Zwänge, für Freiheiten, für Normalität und natürlich gegen Erschöpfung, Zermürbung und für Verständnis.

Es gibt viele Tage da läuft alles gut und man ist glücklich in seiner kleinen Familienblase. 
Aber es gibt eben auch Tage wie gestern wo man mit Vollgas durch die Maschen fällt. 
Das tut weh. Und das wird es immer.