Sonntag, 17. Oktober 2021

Ist das ein Hobby?

"Und was habt ihr so gemacht?" wurde ich vor kurzem gefragt. 

"Och, Nina hat unter anderem ihre tägliche Dosis Straßenbahn und Bus fahren gehabt."

Mein Gegenüber zieht skeptisch die Augenbrauen hoch und fragt lachend:"Ich wusste gar nicht, dass man das als Hobby haben kann...." kommt als Antwort. 

Mir entschlüpft ein einfaches "Doch" und ein bisschen komisch komme ich mir jetzt vor. 

Warum eigentlich?

Ich überlege und stelle fest, dass auch hier wieder der Satz "es kommt drauf an" sehr gut passt. 

Straßenbahn und Bus fahren als Hobby ist sicher nicht mainstream - aber wenn ich bei uns in der Autismus- Selbsthilfegruppe fragen würde, wäre die Begeisterung für das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eher die Regel als die Ausnahme. 

Hobbys gibt es unzählige und neben Sportvereinen, Sammelleidenschaften, Filmfans, dem Lager der Kreativen....ist es bei Nina zur Zeit eben das Straßenbahn und Bus fahren. 

Sicher ist sie damit nicht alleine, denn man findet im Internet unzählige Videos von Fans die ihrem Mitfahrt in Bahnen und auf Stationen filmen. Und in Aufzügen - und auf Rolltreppen. 

Ein Hobby betreibt man in der Freizeit, mit Eifer und auf einem bestimmten Gebiet. 

Ganz genau!

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Moosgrün

 Urx denke ich und halte kurz die Luft an. 

Warum bitte sieht das Badewasser so komisch aus?

Es ist weder die zartrosa, blassblaue oder frischgrüne Farbe wie sonst bei den "Badefarbe-Tabletten".

Das ist eher die Farbe wie ...wenn die Blumen zu lange in der Vase stehen und es latent anfängt zu stinken. 

Ein Moosgrün. Irgendwie.

Ein Blick zu Nina - ok es geht ihr gut. 

Ich lasse den Blick schweifen und sehe....aha. Alle drei Behälter der Badefarbe-Sprudeltabletten sind geöffnet und überall fehlt etwas. 

Dieser Schlingel. 

Offenbar kann sie jetzt nicht nur diese Verschlüsse öffnen - sondern hat beschlossen sich mal was zu gönnen und gleich drei Sprudeltabletten zu nehmen. 

Deswegen Moosgrün. 

Sieht ätztend aus, riecht aber wesentlich angenehmer als die Farbe vermuten lässt. 

Zurück zum Ablauf. Alles ist in Ordnung. 

Auf dem Weg

Wir sind auf dem Weg zur Logopädie und ich erlebe etwas, dass ich bisher noch nie erlebt habe. 

Nina plaudert unterwegs und "erzählt" via Talker das was wir gerade gemacht haben, was als nächstes passiert und was dann kommt. 

"Haferflecks" "essen" und "Schüssel" und "Sprachtherapie" und "Inhalieren" und "Abendessen". 

Anders als vor dem Talker kann ich diese Worte aufgreifen und ein Gespräch mit Nina führen. 

Das ist ein geniales Gefühl und ich habe Einblick in das was in ihrem Kopf vorgeht und nicht wie sonst das Gefühlt das ich so vor mich hinplappere um mich selbst reden zu hören und die Stille nicht aushalten zu müssen. 

Wahnsinn. 

Mein breites Grinsen kann man sicher bis zum Stadtrand sehen. 

Das macht Lust auf die nächsten Erlebnisse mit der unterstützten Kommunikation. 

 Talk'n'go!!!!!!!!!!

Herzschmerz und Mitgefühl

Ab und zu gibt es so Momente da wäre ich gerne eine Superheldin. 

Aber anders als in den Hollywood-Blockbustern ginge es mir dabei nicht darum die großen bösen fiesen Superschurken zur Strecke zu bringen. 

Vielmehr um das Unrecht im stillen und kleinen zu bekämpfen - aber auch da gerne mit viel Kawumm.  

In unserer Selbsthilfegruppe gibt es von Zeit zu Zeit Begebenheiten, die einem wirklich ans Herz gehen, weil unseren Kindern und damit auch unseren Familien Unrecht getan wird. 

Das geht von Diskriminierung, Beschimpfungen, Ausgrenzungen, Ablehnung bis hin zu nicht ermöglichten Schulbesuchen. 

Das macht erst traurig. 

Dann wütend. 

Dann fühlt man sich ohnmächtig. 

Im Kleinen können wir einander helfen und meistens reicht es auch schon, wenn man einen Ort hat an dem man sich mal "aussprechen" kann. 

Sehr oft reicht es mir aber nicht und ich möchte mehr tun - kann es aber nicht und das ist der Punkt an dem ich aufpassen muss vom Mitgefühl nicht ins Mitleid abzugleiten. 

Der Herzschmerz bleibt aber. 

Familienfeste und ihre Auswirkungen

Zum Teil war es mein Anteil an diesem Tag nicht um Hilfe gefragt zu haben und als Eltern haben wir uns nicht gut genug abgesprochen - das kann man noch verbessern. 

Der andere Teil aber geht auf das Vorbeischauen an mir - nein an mir und Nina. 

Es war vergangenes Wochenende und eine Familienfeier zu der wir über zwei Stunden mit dem Auto angefahren waren. 
Auto fahren fand Nina großartig. 
Aber wenn es nach ihr gegangen wäre, wären wir nach einem Besuch des Badezimmers sowie einer Stärkung gleich wieder zurück gefahren. 

Ging aber nicht.
 
War ja eine Familienfeier. Dauert im Allgemeinen länger. 
 
Ich habe mir die größte Mühe gegeben ihr dadurch zu helfen - durch den Besuch im Restaurant, den Spaziergang und das anschließende Kaffee trinken. 
Wir waren auf einem Spielplatz, haben uns in ein anderes Zimmer zurück gezogen und ich hatte eine ganze Reihe an persönlichen Sachen mit. Beschäftigung, Essen und Trinken und der hochfrequenten Wiederholung der Punkte die alle noch passieren müssen, bevor wir wieder den Heimweg antreten. 

Von außen betrachtet hatte ich alles gut im Griff. 

Was aber keiner gesehen hat oder aber sehen wollte, war die permanente Anspannung unter der ich stand, die Energie die es mich gekostet hat alles so zu gestalten, dass es Nina gut durchsteht. 
Mal ganz davon abgesehen, dass ich kaum zum Essen oder gar Trinken gekommen bin. 

Auf der Heimfahrt war ich mein Akku leer und ich hatte Kopfschmerzen. 

Die nett gemeinte Nachricht meiner Schwägerin "war doch nett, dass wir uns alle mal wieder gesehen haben" hat mich am nächsten Tag zum weinen gebracht. 
Leider zum wiederholten Male nach dieser Familienfeier. 

Positiv verbuchen kann ich dennoch eine liebevolle Aussprache mit meinem Mann und die Aussicht darauf, dass so ein Ereignis jetzt lange Zeit auf Pause gedrückt ist. 

Freitag, 1. Oktober 2021

Toiletten Orakel

Ich kann mich erinnern, dass ich mal im Kreis meiner Kolleginnen eine Diskussion geführt habe, ob es eher angemessen ist den Deckel der Toilette zu schließen oder ihn geöffnet zu lassen. 

Meine Oma verfechtet ganz eindeutig einen geschlossenen Deckel. Als junges Mädchen hat sie mich so manches Mal in das Badezimmer zurück geholt, weil sie mir "das Loch" zeigen und mich dazu anhalten wollte den Deckel zu schließen - dafür sei er ja schließlich da. 

Im Kollegenkreis kam aber noch der geöffnete Toiletten-Deckel dazu, mit der Begründung - wenn man ihn hochgeklappt ließe, könnte man sofort sehen, dass die Toilette sauber sei. 

Seit bei Nina Mukoviszidose diagnostiziert wurde, ist bei uns der Deckel natürlich meistens geschlossen. Vor allem zum spülen natürlich.  Damit die Keime in der Toilette bleiben und nicht draußen "rumsausen".

Im Geiste kann ich sie hören, die Vorträge die ich im Familienkreis, bei Freunden, im Kindergarten und der Schule zum Thema Toiletten-Deckel gehalten habe. 

Aber es lässt sich auch am nicht geschlossenen Deckel der Toilette ablesen, ob beispielsweise der Besuch den man hatte, einen Berührungspunkt mit Mukoviszidose hat oder eben nicht. 

Wie eine Art Orakel. 

Ferienfreizeit ist nicht gleich Ferienfreizeit

Vor ein paar Tagen hatte ich wieder eine Mail von der einen Organisation im Posteingang, die auch in den Herbstferien Ferienfreizeiten anbietet. 
Ähnlich wie im Sommer sind auch hier wieder Plätze frei.

Aber ganz anders als im Sommer werden wir daran nicht teilnehmen. 

Die bittere Erfahrung aus dem gerade vergangenen Sommer ist nämlich, das auch wenn etwas pompös daherkommt und einen unfassbar tollen Flyer präsentiert, es deswegen nicht gut sein muss. 

Das war wirklich eine unschöne Erfahrung - ich habe aber gegenüber dem Veranstalter den Mund aufgemacht und meinen Unmut bekundet.  
Ob  es etwas geholfen hat steht in den Sternen - aber wie sagte eine Freundin? Wir müssen etwas sagen, sonst ändert sich nie etwas. 

Ganz anders war es  bei den kleinen Ferienaktionen in der Stadt - die waren minimalistisch angelegt, aber fein, ganz leise in ihrer Werbung - aber zielgruppengerecht und mit Herz. 

Ferienfreizeit ist eben nicht gleich Ferienfreizeit. 

Man kann auch mit wenig Budget und viel Herz sehr viel mehr erreichen, als sich mancher Bürokopf so vorstellen kann.